[2004-07-26] 
 

Der Wliezliwlaff


Sie haben einen Engpass, sagte der Zöllner mit dem leicht säuerlichen Geruch von seit längerem ungewaschenen Haaren und schwitzender Kopfhaut auf Kissen, deren Verfallsdatum bereits abgelaufen ist., den müssen Sie erweitern lassen. Sehen Sie, es bedarf nur eines Stempels.
Lars nickte erleichtert. Das war ja noch mal gut gegangen. Eine Chance. Hein nahm den Kaffeefilter aus dem Kaffeefilterbehälter und schaute auf das braune Kaffeemehl, das aufgebrüht war und nun in Resten vor sich hin dampfte. Es hatte seinen Sinn erfüllt. Sein Dasein war sinnfrei geworden.  Hein begann die Körnchen zu zählen. Vielleicht ergab ja die Zahl einen Reim auf die Jahre. Millionen würden es nicht sein, aber ein paar Tausend könnten zusammen kommen. Lars hieß er, nicht Hein. Wie kommst du auf Hein?, fragte Lars das Kaffeemehl, das sich jedoch für Antwort zu fein war.
Kleckse werden nur braun, wenn die Farbe nicht geronnen ist, sagte Lars vorwurfsvoll und nahm den warmen Papierbeutel mit zwei Fingern aus seinem Behälter. Er tropfte. Lars erschrak und starrte den zitternden Tropfen an. Hier lag sein Leben. Es hatte sich dort hingetropft an einem Faden und war abgerissen. Vielleicht hatte er nur nicht genug acht gegeben? Er machte mit dem Mund eine Schnute und zog die Luft ein, als wollte er den Tropfen hochsaugen, hineinschlürfen, einatmen in seinen Mund und ihn verschlucken, bis nichts mehr davon zu sehen wäre. Aber die Luft blieb einfach stehen, und Lars glotzte sie verblüfft an. Ein zweiter Tropfen machte sich auf den Weg aus der Tüte, die, von zwei Fingern gehalten, untätig in der Luft hing. Lars wollte die Finger öffnen und dem Entsetzen ein Ende machen, aber jemand hatte sie festgeklebt. Festgeklebt am immer noch warmen Papier des Kaffeefilters. Er spürte, wie sein Körper sich leicht nach vorne beugte, um seinen Augen die Gelegenheit zu geben, genauer und noch einmal nachzuprüfen, was sie gerade gesehen hatten. Es war Wirklichkeit. Der zweite Tropfen lag vor ihm, und Lars spürte, wie das Grauen ihn im Nacken packte. Er wusste, wenn noch ein weiterer Tropfen fallen würde, wäre es um ihn geschehen. Lars wollte schreien, aber es blieb ihm nur ein unhörbares Ächzen, das sich in seinem Inneren vergurgelte. Dumpfe Brocken von Inhalten rasten durch seinen Kopf, vergeblich auf der Suche nach einem Ausweg. Du hast deine Chance verpasst, schrie der Wiezliwlaff, und Lars wusste nun, dass es zu spät war. Sein kleiner Finger zuckte, von einem lyrisch weichen Stromschlag getroffen, leichtfüßig auf und ab, aber die geklebten standen steinern in der Luft. Lars schwankte. Mit Wasser ließe sich kein Farberlös herstellen.  Die rechte Hälfte spaltete seinen Kopf mit dem Gewehr.